Thermenanlage

Historische Hintergründe

Die strukturelle Veränderung in den neuen römischen Reichsteilen nördlich der Alpen
Mit der römischen Eroberungspolitik und der parallel dazu ablaufenden Ausbreitung eines mediterran geprägten Lebensgefühls nördlich der Alpen und den Gebieten westlich des Rheins fand ein tiefgreifender Wandel in den von keltischen und germanischen Stämmen besiedelten Gebieten statt. Waren vor der römischen Besetzung diese Gebiete relativ dünn besiedelt, die Bevölkerung verteilte sich auf weit verstreut Einzelgehöfte oder kleine Weiler, so bildeten sich im Gefolge der großen Truppenkontingente erste urbane Systeme. Militärlager waren hier zunächst die Keimzellen für beginnendes ziviles städtisches Leben römischer Prägung. Dies hatte zur Folge, dass den Bedürfnissen dieser Zivilgesellschaft in kultureller, administrativer und kultischer Beziehung nachgegangen werden musste. Mit der machtpolitischen Konsolidierung begann der zügige Aufbau einer zivilen Infrastruktur in den besetzten Gebieten, Verwaltungs- und Kultzentren, sowie öffentliche Einrichtungen entstanden.


Badeanlagen

Es gibt Indizien dafür, dass vor der römischen Besetzung die einheimischen Stämme Thermalquellen mit ihrer heilenden Wirkung benutzten oder diese in Verbindung mit bestimmten kultischen Handlungen besuchten. Mit dem römischen Zivilisationstransfer setzte schnell ein Wandel ein. Thermalquellen wurden zu Badeanlagen nach mediterranem Vorbild ausgebaut, ebenso entstanden Anlagen, denen künstlich Energie zur Wassererwärmung zugeführt werden musste, sie waren natürlicherweise wesentlich zahlreicher vorhanden. In allen größeren Städten entstanden häufig mehrere öffentliche Badeanlagen von stadtrömischen Ausmaßen, die in ihrer Ausstattung den Vorbildern nicht nachstanden. Neben diesen städtischen Badeanlagen errichtete auch das Militär eigens für die Soldaten in den größeren Garnisonen Militärbäder, z.T. konnten diese auch von der Zivilbevölkerung benutzt werden. Auch für den privaten Bereich ließen sich wohlhabende Bevölkerungsschichten sowohl in ihren Stadthäusern als auch auf den außerstädtischen Gutshöfen Badeanlagen bauen. Diese waren jedoch wesentlich kleiner dimensioniert.


Der Badevorgang

Da über den eigentlichen Badevorgang aus der literarischen Überlieferung wenig bekannt ist, lässt sich aufgrund des erhaltenen Baubefundes über die Nutzung der einzelnen Räume einer Badeanlage folgender Ablauf erschließen:
Im Auskleideraum, dem Apodyterium, legte der Besucher seine Bekleidung ab, war eine angegliederte Sportstätte, die Palästra, vorhanden, konnte der Besucher sich hier durch sportliche Betätigung erhitzen. Danach begab er sich in das Kaltbad, das Frigidarium, um sich abzukühlen. War keine Palästra vorhanden, so durchschritt er nach dem Auskleiden das Frigidarium, um in den lauwarmen Raum, das Tepidarium, zu gelangen. Hier konnte der Badegast sich langsam erhitzen, um anschließend das Warmbad, das Caldarium, aufzusuchen. Nach dem Erhitzen im Caldarium ließ sich der Besucher im Tepidarium langsam abkühlen, um dann das Frigidarium mit seinen Kaltwasserbecken zur Abkühlung zu benutzen. Im Apodyterium bekleidete er sich dann wieder. Dieser Badevorgang ließ sich über mehrere Stunden wiederholen und entsprechend den persönlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen abändern.

Folgende weitere Räumlichkeiten konnten einer Thermenanlage noch angegliedert gewesen sein: ein mit dem Caldarium verbundenes Schwitzbad, das Sudatorium, und ein dem Tepidarium angeschlossener Salbraum, das Unctorium. Gerade in Heilbäder konnten noch Arztpraxen betrieben werden, ferner sind Bibliotheken und Vortragssäule aus den großen stadtrömischen Thermen überliefert. Der allgemeinen und persönlichen Hygiene dienten die Latrinen, sie waren in jeder Thermenanlage vorhanden. Die Latrinen bestanden aus einem Raum mit an den Wänden umlaufenden Steinbänken, in die Sitzfläche war ein kreisrundes Loch eingelassen und zur Vorderkante führte ein breiter Schlitz. Unter den Sitzbänken floss in einem Kanal, der mit dem Brauchwasser aus den Badebecken gespeist wurde, ständig Wasser, um die Exkremente in die Kanalisation zu entsorgen. Eine kleine Wasserrinne am Fuße der Sitzbank diente zum Reinigen der Hände.


Die Ausstattung der Räume

Das Apodyterium diente dem Badegast zum Ablegen seiner Kleidung, die er in gemauerten oder aus Holz gefertigten Fächern deponieren konnte. Steinerne Sitzbänke liefen oft an den Wänden entlang, auf denen der Besucher sich niederlassen konnte. Bei kleineren Badeanlagen, besonders bei Villenbädern diente das Apodyterium gleichzeitig als Frigidarium. Der zentrale Raum der Badeanlagen war das Frigidarium, hier entspannte sich der Gast entweder von seiner sportlicher Betätigung oder vom Besuch im Caldarium bzw. Tepidarium. In halbrunden Wandnischen befanden sich Kaltwasserbecken zum Abkühlen. Das Frigidarium war unbeheizt. Um in das Caldarium zu gelangen, musste der Besucher das Tepidarium durchqueren. Dieser lauwarme Raum war der Durchgangsbereich für die Anpassung zwischen Kalt- und Warmbad und war im Verhältnis zum Frigidarium und Caldarium eher klein und besaß eine Unterflurheizung, Hypokausten. Der dritte und eigentliche Baderaum war das Caldarium mit Heizwasserbecken in Apsiden, hier nahm der Badegast sein heißes Bad. Der gesamte Raum war hypokaustiert und in den Wänden liefen Tonröhren zur zusätzlichen Beheizung. Am Boden des Caldariums konnten Temperaturen zwischen 50 und 60 Grad Celsius entstehen.

Caldarium mit Präfurium und Hypokausten
 


Die Beheizung

Das Tepidarium und das Caldarium waren mit einer Unterflurheizung, den Hypokausten, ausgestattet. Der gesamte Fußboden war auf Ständern aus flachen runden oder eckigen Tonziegeln gelagert, die zu Säulen oder Pfeilern aufgemauert waren und eine Höhe von 0,4 bis 1,2 m hatten. Daraufliegende Tonplatten bildeten die Grundlage für den Fußboden, der aus darüber aufgefüllten Schichten aus Kalkmörtel, grobem Estrich und einem Feinstrich aufgebaut war. Auf dem Feinstrich waren entweder Mosaiken oder Steinplatten verlegt. Die Wandheizung bestand aus senkrecht übereinander gemauerten Hohlziegeln, die dicht an dicht in der Wand verlegt waren. Die Wände selbst wurden verputzt oder mit Steinplatten verkleidet. Von einem angebauten Heizraum aus beheizte man das Hypokaustensystem. Dazu entfachte man zunächst im Praefurnium ein Holzkohlefeuer bis das Hypokaustum und die Wandkanäle erwärmt waren, dadurch entwickelte sich ein Luftzug, so dass dann mit Holz weitergeheizt werden konnte. Im Praefurnium nutzte man auch die heißen, aufsteigenden Gase des Verbrennungsvorganges, um in darüber aufgebauten Metallkesseln Wasser für die Badebecken zu erhitzen, das über Rohrleitungen ins Innere der Badeanlage geleitet wurde.

Hypokausten
 

 

Die Typologie

Abhängig von den Erfordernissen, den städtebaulichen oder den topographischen Gegebenheiten oder Wünschen der Auftraggeber hatten sich verschiedene Typen von Badeanlagen entwickelt, wobei die Grundstruktur bezogen auf den Badevorgang stets gleich geblieben war.

1. Der Reihentypus: Hier waren Apodyterium, Frigidarium, Tepidarium und Caldarium hintereinander angeordnet, modifiziert wurde eine solche Anlage durch die seitlich angegliederte Palästra und das Sudatorium. Bei einer so gestalteten Badeanlage durchlief der Besucher die Räume auf demselben Hin- und Rückweg. Bis zum Ende des römischen Reiches wurde dieser Typ beibehalten.

2. Der Ringtypus: Dieser Typ erlaubte dem Besucher in einem Rundgang die Benutzung der Badeanlage, so dass es hier nicht wie beim Reihentyp durch hin- und zurückgehende Badegäste zu Stauungen führen konnte.

3. Der kleine Kaisertypus: Durch zwei ringförmig zusammengeschlossene Reihentypen zeichnet sich der kleine Kaisertypus aus und war damit axial symmetrisch aufgebaut. Der Badegast betrat zunächst das Apodyterium und entkleidete sich. Von hieraus hatte er die Möglichkeit, die der eigentlichen Badeanlage vorgelagerte Palästra aufzusuchen und sich dort durch sportliche Betätigung erhitzen oder gleich mit dem Badevorgang zu beginnen. Der Weg in das Caldarium führte durch mehrere hypokaustierte Räume, in denen der Besucher sich langsam erhitzte. Im Caldarium liefen die beiden seitlichen Stränge zusammen, von hieraus führte auf der Mittelachse der Weg durch das Tepidarium in das Frigidarium, dem Hauptraum der Anlage. Der Besucher konnte von hier wieder in das Apodyterium gelangen. Die Verdopplung der Nebenräume der Anlage hatte zu einer axialen Gliederung der Anlage und damit zu einem komplexen Grundriss geführt. Diese Thermenanlagen konnten durch ihre beträchtlichen Ausmaße hohe Zahlen von Besuchern aufnehmen. Innen und außen waren die Anlagen durch aufwendige Architekturglieder entsprechend repräsentativ gestaltet.

Kleiner Kaisertypus


4. Der große Kaisertypus: Beim großen Kaisertypus hatten sich die Baudimensionen ins Monumentale gesteigert. Die axiale Gliederung des kleinen Kaisertypus wurde beibehalten, Caldarium, Tepidarium und Frigdarium lagen weiterhin auf einer Mittelachse, das Ende der Achse bildete hier jetzt ein großes Wasserbecken (Natatio). Flankiert wurden diese Räume links und rechts von großen Apodyterien und ausgedehnten , ungedeckten Palästren, von diesen gelangte der Badegast durch zahlreiche hypokaustierte Räume zum auf der Mittelachse liegenden Caldarium. Die Innen- und Außenfassaden waren aufwendig gestaltet.

5. Der Blocktypus: Dieser Typus war überwiegend als Privatbad in Gebrauch, z.B. auf den Landgütern (villae rusticae) oder in größeren Stadthäusern, nur in geringerer Anzahl wurde er auch für den öffentlichen Bereich errichtet. Der Blocktypus war ein kompakter und verhältnismäßig kleiner Baukörper, bei dem Apodyterium, Tepidarium und Caldarium nicht hintereinander lagen, sondern in zwei oder mehreren Reihen nebeneinander errichtet waren, so dass der Benutzerweg abgeknickt war. Der Badegast musste also den gleichen Hin- und Rückweg benutzen wie beim Reihentypus. Die räumliche Infrastruktur und die technischen Einrichtungen machten diesen Typus zu einer vollwertigen Badeanlage, lediglich die Dimensionierung der Räume und somit der gesamten Anlage läßt erkennen, dass hier nur ein kleiner und ausgewählter Personenkreis zu den Besuchern zählte.

 

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